LIBOR-Ablösung und der Weg in die Zukunft

Die Auswirkungen der Ablösung des LIBOR und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für einen reibungslosen Übergang zu alternativen Referenzsätzen (ARRs).

Veröffentlicht: Zuletzt aktualisiert:

Fachartikel, Finance & Compliance

1 Min. Lesezeit

Warum und wann werden die IBORs abgelöst?

Die Vorwürfe der LIBOR-Manipulation begannen bereits in den frühen 1990er Jahren, was zur Verhängung von Geldstrafen gegen beteiligte Banken und einem anschließenden Mangel an Vertrauen in die Genauigkeit des LIBOR führte. Aufgrund des „LIBOR-Skandals“ im Jahr 2011, empfahl das Financial Stability Board (FSB) im Jahr 2014 verschiedene IBORs durch alternative Referenzsätze (Alternative Reference Rates, ARRs) oder, wie einige Marktteilnehmer es nennen, „Risk Free Rates“ (RFRs) zu ersetzen. Anschließend begannen die weltweiten Finanzaufsichtsbehörden aktiv mit der Einführung von ARRs und stellten Richtlinien für einen reibungslosen Übergang zur Verfügung.

Die britische Regulierungsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) hat beispielsweise im März 2021 (nach ihrer ersten Ankündigung im Jahr 2017) formell angekündigt, dass alle LIBOR-Sätze für EUR, CHF, GBP und JPY sowie die 1-Woche und 2-Monate LIBOR-Sätze für USD nach dem 31. Dezember 2021 auslaufen bzw. nicht mehr repräsentativ sein werden. Die verbleibenden USD-LIBOR-Referenzsätze werden nach dem 30. Juni 2023 nicht mehr existieren. Basierend auf den Empfehlungen der Arbeitsgruppe für den Euro Overnight Index Average (EONIA) und den Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) im Jahr 2018, hat die Europäische Zentralbank (EZB) am 2. Oktober 2019 den ersten Euro-Kurzfristsatz (Euro Short-term Rate, €STR) als ARR für EONIA und EURIBOR veröffentlicht. Die EZB hat bereits angekündigt, den EONIA am 3. Januar 2022 auslaufen zu lassen. Der EURIBOR wird jedoch zusammen mit dem €STR nach dem 3. Januar 2022 weitergeführt.

Die EZB empfiehlt, den €STR als Leitzins zu verwenden, hat aber noch nicht bekannt gegeben, wann der EURIBOR nicht mehr existieren wird.

Zeitstrahl zur IBOR-Umstellung
Zeitstrahl zur IBOR-Umstellung

Was bedeutet dies für Treasurer?

IBORs sind die Standard-Referenzbenchmarks für Millionen von Verträgen weltweit. Nach einer Schätzung von Bloomberg beträgt der Marktwert der zugrundeliegenden Verträge mehr als 370 Billionen USD. Die Ablösung der IBORs wird sich auf fast jede Treasury-Transaktion des Unternehmens auswirken, unabhängig davon, ob es sich um eine Kreditvergabe (Einlagen), eine Kreditaufnahme (Darlehen), eine Investition (Anleihen) oder ein Absicherungsgeschäft (Derivate) handelt.

Die Einführung von ARRs wird sich auf die Bewertung bestehender Transaktionen und die Preisgestaltung neuer Transaktionen auswirken. Änderungen der Benchmarks werden die Zinsberechnungen, die daraus resultierenden Zahlungsströme und die Abwicklungstermine weiter verändern. Änderungen der Zinsberechnungsmethoden können Auswirkungen auf die Besteuerung haben, da sich der Wert von Schuldtiteln ändern könnte. Daraus resultierende Änderungen der verwendeten Buchhaltungsmethoden für die ARRs stellen eine weitere Herausforderung dar. Zusätzlich zu den finanziellen Auswirkungen wird außerdem die Systeminfrastruktur durch die erforderliche Implementierung von ARRs beeinflusst.

Was sollten Treasurer tun?

#01: Machen Sie sich mit den ARRs und den damit verbundenen Ereignissen vertraut, insbesondere mit den Fallback-Klauseln der bestehenden Verträge.

Fallback-Klausel:

Die EZB definiert „Fallback-Klausel“ als Klauseln in einem Vertrag, die festlegen, welcher Zinssatz zu verwenden ist, wenn der vereinbarte Referenzzinssatz, wie z. B. LIBOR, nicht verfügbar ist.

Hier ist die Liste der wichtigsten ARRs, die die aktuellen Benchmarks ersetzen werden samt zugehöriger Beendigungsfristen.

WährungAktuelle BenchmarkARRARR VerlegerBeendigungsfristen
EUREONIA€STREuropean Central Bank3. Januar 2022
EUREURIBOR€STREuropean Central BankNoch nicht angekündigt
EUREUR LIBOR€STREuropean Central Bank31. Dezember 2021
CHFCHF LIBORSARONSIX Swiss Exchange AG31. Dezember 2021
GBPGBP LIBORSONIABank of England31. Dezember 2021
USDUSD LIBORSOFRUS Federal Reserve Bank31. Dezember 2021*
JPYJPY LIBORTONARBank of Japan31. Dezember 2021

*Nur für 1-Woche und 2-Monate, die restlichen USD-LIBOR-Einstellungen werden nach dem 30.06.2023 geändert werden.

#02: Planen und Vorbereiten des Übergangs zu ARRs

Planen Sie frühzeitig, um vorbereitet zu sein, wenn es keine IBORs mehr gibt. Beachten Sie auch: Die neuen ausgegebenen Instrumentenverträge werden bereits mit ARRs quotiert.

#03: Identifizieren Sie Ihr IBOR-basiertes Engagement und relevante Transaktionen

Identifizieren Sie die Anzahl der Transaktionen, den Gesamtwert der Transaktionen, die Währungen der Transaktionen, die Art der Transaktionen, die beteiligten Kontrahenten und die betroffenen Fallback-Klauseln.

#04: Sprechen Sie mit Ihren finanziellen Geschäftspartnern und verhandeln Sie, wenn möglich, die bestehenden Verträge

Sobald das Engagement identifiziert ist, sprechen Sie mit den relevanten Finanzpartnern, einschließlich Banken und/oder Gegenparteien, um deren Post-IBOR-Pläne und Zeitpläne mit Ihren zu koordinieren.

#05: Aktualisieren Sie Ihre Systemlandschaft

Aktualisieren Sie Ihr Treasury-Management-System (TMS), um ARRs zu unterstützen. Beraten Sie sich mit Ihrem TMS-Anbieter sowie mit den Marktdatenanbietern, um zu verstehen, was getan werden muss, um die erforderlichen Änderungen, den erwarteten Zeitrahmen und die Kosten für die Implementierung umzusetzen. Bitte beachten Sie, dass einige Regulierungsbehörden die vollständige Betriebsbereitschaft von Unternehmen bis zum 31. Dezember 2021 fordern. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Swiss Financial Market Supervisory Authority, FINMA) fordert in ihrer Mitteilung vom Dezember 2020 „die vollständige Betriebsbereitschaft“. Demnach sollen alle relevanten Systeme und Prozesse bereits jetzt in der Lage sein, ohne Abhängigkeit vom LIBOR zu funktionieren“.

SAP Systemanpassung

Für die neuen Zinsberechnungsmethoden für Geldmarktgeschäfte und Anleihen gibt es bereits eine große Anzahl von SAP Updates. Auch die neue Funktion, den Spread in die Aufzinsung einzubeziehen/auszuschließen, wurde in die Lösung aufgenommen. Updates für ABS/MBS und Sinking Bonds sind noch nicht verfügbar und werden im Q3 2021 erwartet.

Während die Anzahl der betroffenen Instrumente für einige Unternehmen im Jahr 2021 nicht groß sein mag, sind ARRs die neue zukünftige Konvention und USD-LIBORs werden im Jahr 2023 folgen. Die oben genannten fünf Schritte sollten Ihrem Unternehmen helfen, einen reibungslosen Übergang zu ARRs zu verstehen und zu bewältigen.

Christian über Automatisierung im Treasury mit Künstlicher Intelligenz
Christian Million, Managing Partner von Convista und Verantwortlicher für den Bereich Treasury

Haben Sie noch Fragen dazu?:

Sprechen Sie uns gerne an!

Wir haben bereits verschiedene Kunden auf ihrem Weg zur Ablösung des IBORs begleitet und freuen uns, auch Ihrem Unternehmen helfen zu können.

Ihr Ansprechpartner: Christian Million

Jetzt Kontakt aufnehmen

S/4HANA als Treiber der Prozessoptimierung: Chancen & Risiken

Veröffentlicht am 03.12.2024

S/4HANA als Treiber der Prozessoptimierung: Chancen & Risiken

Mit der digitalen Transformation setzen immer mehr Unternehmen auf SAP S/4HANA, die moderne ERP-Lösung von SAP. Neben einer verbesserten Benutzerfreundlichkeit und schnelleren Datenverarbeitung bietet S/4HANA das Potenzial, Geschäftsprozesse grundlegend zu optimieren. Doch welche Chancen eröffnet die Einführung, und welche Risiken…

Pawel Midon richtet Glückwünsche aus im Rahmen der Digitalisierung im Gesundheitswesen

Veröffentlicht am 29.11.2024

Über 20 Jahre starke Partnerschaft: Wegweisende Digitalisierung im Gesundheitswesen

Seit 25 Jahren gestalten AOK Systems und Convista die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Mit Innovationen wie oscare® und „AOK Meine City“ haben sie Maßstäbe gesetzt. Die vertrauensvolle Partnerschaft bleibt auch künftig der Schlüssel zur Weiterentwicklung.

Die Zukunft der Logistik ist digital

Veröffentlicht am 28.11.2024

Von der Inventur bis zur Produktionsversorgung: Die Zukunft der Logistik ist digital

Die Logistikbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel: Digitalisierung und Automatisierung prägen die Abläufe in Lager und Produktion wie nie zuvor. Angesichts globaler Herausforderungen, steigender Kundenerwartungen und eines zunehmenden Fachkräftemangels sind Unternehmen gezwungen, ihre Prozesse effizienter, schneller und fehlerfreier zu gestalten.