Migrationsvorstudie – Aufwand und Nutzen

Gründe für eine Migration gibt es viele: Die Ablösung eines Altsystems, neue Geschäftsprozesse in der Bestandsverwaltung, eine neue Generation von Versicherungsprodukten oder Run-Off-Szenarien. Wann lohnt sich eine Migrationsvorstudie? Und wie aufwendig muss sie betrieben werden?

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Fachartikel, Migration, Versicherungswirtschaft

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Symbolbild Migrationsvorstudie und Datenmigration

Bringen Sie Licht ins Dunkel

Anders als bei Neugeschäftseinführungen sind Migrationen umfangreicher und punktuell komplexer. In aller Regel wird nicht nur die aktuelle Tarifgeneration migriert, sondern alle im zu migrierenden Bestand vorhandenen Tarifgenerationen. Gerade hier verstecken sich oftmals Herausforderungen, die in der Migration zu „Showstoppern“ werden können. Versicherungsunternehmen führen deshalb vermehrt vor der eigentlichen Migration Vorstudien durch. Die beiden zentralen Fragen, die sich hierbei stellen, sind:

  1. Welchen Nutzen bringt eine Migrationsvorstudie?
  2. Wie aufwendig muss diese betrieben werden?

Wie immer gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Vielmehr ist es abhängig von dem zu migrierenden Bestand und von dem Unternehmen selbst.

Wesentliche Inhalte einer Migrationsvorstudie

Ziel der Vorstudie ist es, die Herausforderungen bzw. „Knackpunkte“ bei der bevorstehenden Migration zu lokalisieren. Diese können in den Umsystemen oder bei der Prozessverarbeitung liegen, aber auch direkt in der Tariflandschaft und zu Problemen bei der technischen Umsetzung im Zielsystem führen.

Schritte in einer Migrationsvorstudie

Es empfiehlt sich daher, eine gründliche Tarif- und Bestandsanalyse durchzuführen. Diese ist allerdings meist mit einem hohen manuellen Aufwand verbunden. Das Heraussuchen von migrationsrelevanten Informationen aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen bindet eine Vielzahl wertvoller Ressourcen – vorwiegend im Aktuariat. Mit auf maschinellen Lern-Algorithmus basierten Tools können Sie die Dokumentenanalyse automatisieren und beschleunigen.

In manchen Fällen ist die Implementierung zusätzlicher und spezieller Geschäftsvorfälle nötig. Nehmen wir beispielsweise den Geschäftsvorfall Heirat bei Heiratstarifen aus der Vergangenheit. Oftmals sind diese Geschäftsvorfälle in den neuen Bestandsführungssystemen technisch nicht standardisiert und müssen ergänzt werden.

Analysieren Sie darüber hinaus die Bafin-Mitteilungen der einzelnen im Zielsystem zu integrierenden Tarife genauestens auf Besonderheiten. Zudem ist ein ständiger Abgleich der versicherungsmathematischen Werte zwischen Quell- und Zielsystem erforderlich (bekannt als aktuarielles Controlling). Abweichungen müssen selbstverständlich begründet werden. Um die Vollständigkeit und Korrektheit der Verträge im Zielsystem zu gewährleisten, erstellen Sie am besten bereits im Rahmen der Vorstudie Ihre individuellen Testkonzepte. Klären Sie zudem bereits jetzt, wie die Datenbereitstellung aus dem Quellsystem organisiert werden kann, um den notwendigen Datenbedarf zu decken. Das spart Ihnen im eigentlichen Migrationsprojekt Zeit.

Symbolbild Migrationsvorstudie und Datenmigration

Typische Problem-/Fragestellungen sind:

  • Welche zusätzlichen Tariffunktionalitäten werden benötigt?
  • Gibt es unterschiedliche Auszahlungsbedingungen?
  • Sind in den Tarifgenerationen unterschiedliche Leistungsansprüche versteckt?
  • Wie identifiziere ich migrationsrelevante Informationen zum Thema Storno / Termine / Rente…?
  • Regelungen zum Umgang mit der Überschussbeteiligung über verschiedene Tarifgenerationen

Auf Basis dieser Analysen können Sie die Migrationsstrategie und -architektur festlegen: Je nach Ausgangslage können Tarifzusammenlegungen oder exakte Tarifabbildungen im Zielsystem sinnvoll sein. Am Ende der Vorstudie sollte Ihnen ein Grobkonzept vorliegen. Dieses umfasst üblicherweise auch die Projektplanung und -organisation.

Für die Arbeitsorganisation ist es vorteilhaft, mehrere Teams mit einer Größe von 5 – 10 Mitarbeitenden für die von der Migration direkt betroffenen Bereiche zu bilden. Hier sind insbesondere folgende Bereiche sinnvoll:

  • Produkt, wobei hier vor allem das Aktuariat involviert ist
  • Prozesse mit erfahrenen Sachbearbeitern
  • die vorwiegend IT-getriebene Datenbeschaffung aus dem Quellsystem und die technische Migrationsdurchführung

Durch eine ausgewogene Verteilung zwischen externen Beratern und internen Expert:innen können Sie die Arbeitseffizienz der einzelnen Gruppen steigern. Vermeiden Sie zu große Teams bzw. Arbeitskreise. Sonst wird der Abstimmungsaufwand schnell unverhältnismäßig hoch. Denn: Alle Erkenntnisse und Informationen müssen vollständig und ordentlich dokumentiert und über entsprechende Kanäle zwischen den Gruppen geteilt werden.

Erfolgskriterien einer Migrationsvorstudie

Mit der Vorstudie einer Migration soll ein gemeinsames Verständnis zu den Zielen, Inhalten und dem Vorgehen bei der späteren Migration geschaffen werden. Allein dieser Umstand bringt die Wichtigkeit einer Vorstudie zum Ausdruck. Doch wie den den Erfolg der Migrationsvorstudie messen? Mögliche Erfolgskriterien sind zum Beispiel die Einhaltung des Kostenrahmens, eine termingerechte Migration oder die korrekte Versorgung von Schnittstellen und Randsystemen.

Fazit: Das Detail-Nutzen-Spannungsverhältnis

Wie oben bereits erwähnt, gibt es kein Patentrezept. Wie die Migrationsvorstudie im Detail gestaltet sein sollte, ist abhängig vom zu migrierenden Bestand und dem Unternehmen selbst. Der Dreh- und Angelpunkt einer Vorstudie ist die Detailtiefe. Je tiefer der Detailgrad, desto höher der zu erbringende Aufwand. Wiegen Sie deshalb sorgfältig zwischen vertretbarem Aufwand und erzielbarem Nutzen ab.

Es lässt sich festhalten, dass eine Migrationsvorstudie bei komplexen und umfangreichen Migrationen von Versicherungsbeständen zwingend notwendig ist. Sie minimiert das Risiko, während der Migration an Hindernissen hängen zu bleiben und im schlimmsten Fall Deadlines zu reißen. Um keine falschen Erwartungen zu wecken: Mit einer Vorstudie können Sie das Risiko von „Showstoppern“ zwar deutlich minimieren, aber niemals vollständig ausschließen.

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