ESG-Daten und ihre Schlüsselrolle im Reporting
Nachhaltigkeit zu reporten und zu managen, hält zahlreiche fachliche und technologische Herausforderungen bereit. Das letzte große Projekt für den Versicherungsmarkt mit vergleichbarem Umfang an Datenanforderungen dürfte wohl die Umsetzung der Basel-II- bzw. Solvency-II-Vorgaben gewesen sein. Warum der Aufbau einer integrierten Datenbeschaffung und -architektur für Versicherungsunternehmen so wichtig ist.
Warum sind ESG-Daten so wichtig?
1. Regulatorische Entwicklungen: Die neuen ESRS-Standards treiben nachhaltige und digitale Transformation in der Versicherungswirtschaft.
Die Umsetzung der CSRD in nationales Recht ist derzeit im Gange und erweitert die zuvor auf EU-Ebene geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD). Die wichtigsten Neuerungen der CSRD lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Ausweitung des Umfangs der berichtspflichtigen Unternehmen
- Ausweitung des offenzulegenden Inhalts der Nachhaltigkeitsinformationen
- Europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS)
- Verpflichtende Aufnahme der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den (Konzern-) Lagebericht,
- Prüfungspflicht durch einen Wirtschaftsprüfenden mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) und einem Übergang zu hinreichender Sicherheit („reasonable assurance“),
- Offenlegung in einem digitalen, maschinenlesbaren Format und Kennzeichnung (Tagging) der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Eine der weitreichendsten Änderungen durch die CSRD ist die Einführung der „doppelten Wesentlichkeit“. Die EU fordert damit, dass Informationen sowohl aus der Inside-Out-Perspektive als auch aus der Outside-In-Perspektive betrachtet werden müssen. Doch was bedeutet das?
- Bei der Outside-in-Perspektive müssen Versicherer angeben, welche Auswirkungen das Umfeld auf die Geschäftsentwicklung, die Ergebnisse und die Position des Versicherers haben. Es sind „Risiken und Chancen“ („Risks and Opportunities“) zu betrachten und diese hinsichtlich ihrer finanziellen Wesentlichkeit zu beurteilen.
- Bei der Inside-out-Perspektive („ökologische und gesellschaftliche Wesentlichkeit“) muss dargelegt werden, welche Auswirkungen das Handeln des Versicherers auf die Umwelt und die Gesellschaft hat. Zu betrachten ist dabei die gesamte Wertschöpfungskette.
Die EFRAG hat hierzu die folgenden drei Implementierungsleitlinien (Implementation Guidance, IG) veröffentlicht. Sie dienen als Hilfestellung zur Bewertung der wesentlichen Themen und der Angabepflichten entlang der Wertschöpfungskette:
- Draft EFRAG IG 1 Materiality assessment implementation guidance: Erläuterungen zu den Angabepflichten zur Wesentlichkeitseinschätzung durch Unternehmen,
- Draft EFRAG IG 2 Value chain implementation guidance: Erläuterungen zu den Angabepflichten über die Wertschöpfungskette,
- Draft EFRAG IG 3 Detailed ESRS datapoints implementation guidance: Vollständige Liste aller im Set 1 der ESRS geforderten Angaben.
Diese und weitere Informationen sind über die EFRAG-Webseite zugänglich.
2. Daten als Basis für strategische Entscheidungen
Mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) schafft die EU die technischen Voraussetzungen für nachhaltige Kapital- und Beteiligungsmärkte. Die Berichterstattung gemäß den ESRS soll sowohl retrospektiv als auch zukunftsorientiert sein und kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte abdecken:
- Kurzfristig: d. h. das laufende Geschäftsjahr
- Mittelfristig: Bis zu fünf Jahre nach dem Ende des kurzfristigen Zeitraums
- Langfristig: Mehr als fünf Jahre mit zusätzlichen Aufschlüsselungen
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist daher neben der Datenbeschaffung und der Datenarchitektur ein ganzheitliches ESG-Performancemanagement
ESG-Daten helfen, wichtige strategische Entscheidungen zu treffen und Einsparpotenzial (und das ökologisch wie auch wirtschaftlich) zu identifizieren. Die Daten können zum Beispiel aufzeigen, an welchen Stellen sich Emissionen reduzieren lassen, an deren Produktion Versicherer direkt oder indirekt beteiligt sind.
3. Interesse von Lieferanten, Kunden & Mitarbeitenden
Nachhaltigkeit rückt nicht nur aufgrund von regulatorischen Anforderungen immer stärker in den Fokus von Versicherern, auch Kunden, Lieferanten (i. R. d. LkSG) und (potenzielle) Mitarbeitende fordern nachhaltiges Handeln ein. Dabei legen alle Interessengruppen großen Wert auf Transparenz. Und genau hierfür braucht es Daten: ESG-Daten machen das Handeln von Unternehmen nachvollziehbar und ermöglichen es den Steakholdern, echte Bemühungen von sogenanntem „Greenwashing“ zu unterscheiden. Durch eine datenbasierte Kommunikation über den verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, schafft ein Unternehmen, Vertrauen aufzubauen und profitiert davon langfristig.
Knackpunkt Datenbeschaffung und -bereitstellung
Die Herausforderung besteht darin, die Daten zu diversen Nachhaltigkeitsaspekten zu sammeln und bereitzustellen. Wie gelangt man an diese Daten und das auch noch in möglichst guter Qualität? Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, die einzeln oder in Kombination genutzt werden können.
- ESG-Daten können intern im eigenen Unternehmen erhoben und analysiert werden.
- ESG-Daten können bei Sell-Side Researchern angefordert werden.
- ESG-Daten können von externen Anbietern (ESG Data Provider) gekauft werden.
Technische Umsetzung: Integration von ESG-Standards
Aus technischer Sicht stellt das Nachhaltigkeitsmanagement einen kontinuierlichen Prozess aus Datenakquise, ESG-Reporting und idealerweise ESG-Steuerung dar.
Die neuen KPIs und Datenmodelle müssen sich in die bestehende Reporting-Landschaft einfügen, dies gilt insbesondere für die Versicherungswirtschaft, da bereits stark spezialisierte und professionalisierte Lösungen im Einsatz sind. Die Nutzung und Integration der vorhandenen Technologien ermöglicht die Verknüpfungen des operativen Datenhaushaltes mit den neuen ESG- Anforderungen innerhalb der bestehenden Reportingsystemlandschaft mit dem Ziel eine automatisierte Datenbereitstellung von SAP und Non-SAP-Datenquellen zu ermöglichen.
Innerhalb der SAP-Systeme sind viele relevante Finanzkennzahlen bereits auf transaktionaler Ebene vorhanden und lassen sich somit direkt mit den EU-Taxonomie und ESRS-Kennzahlen in Verbindung bringen. Eine integrierte Perspektive auf finanzielle und klimarelevante Informationen ist entscheidend, um perspektivisch eine Nachhaltigkeitssteuerung zu ermöglichen, denn ohne ESG-Daten in derselben Systemlandschaft wie die Finanz- und Kapitalanlagen-, Controlling- und Abschlussdaten können keine Beziehungen zu klimarelevanten Kennzahlen hergestellt werden. Ein typisches ESG-Projekt erfordert ein multidisziplinäres Team, das sich um alle anstehenden Anpassungen und Optimierungen kümmern kann.
ESG-Management stellt für Versicherer damit eine technisch anspruchsvolle Aufgabe dar. Um den Aufwand bei der Datenerhebung zu reduzieren, ist eine ESG-Referenzarchitektur nützlich. Diese ermöglicht einen systemintegrierten Zugriff auf alle Datenquellen.
Fazit: Die neuen ESRS-Standards treiben nachhaltige und digitale Transformation in der Versicherungswirtschaft.
Ziel sollte nicht nur sein, den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, sondern die Nachhaltigkeitsberichterstattung möglichst effizient zu gestalten. Entsprechend hoch ist die Priorität, die Unternehmen der Datensicherheit und fortschrittlichen Datenmanagement-, KI- und Analysetools einräumen sollten.
Autorin
Alexandra Drinhausen verantwortet den Bereich der regulatorischen Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Convista. Ihre Passion gilt der Umsetzung der fachlichen Anforderung von der CSRD-Datenanalyse über die Kennzahlenmodellierung bis zur Implementierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in komplexen Systemlandschaften.
Ihre Ansprechpartnerin für das Thema ESG
Alexandra Drinhausen